"Scheisshaufen Gottes"
So hat Guenter Grass einmal Kalkutta bezeichnet, als er es vor 20 Jahren besuchte. Da kann ich ihm nicht zustimmen. Zwar 16 Mio. Einwohner, alles dicht auf dicht, Smog, Laerm, Dreck, aber doch besitzt es einen gewissen Charme: Koloniale Gebaeude, Stadtparks, Museen, freundliche Menschen, fantastisches Essen,... eine interessante Stadt!
Was nicht zuletzt auch an der bunten Mixtur aus Reisenden liegt, die man im Hostel und auf der Strasse trifft: da ist zum Beispiel der 70-jaehrige liebeskranke Aussteiger Peter, der jeden Tag um vier auf dem Dach die Kraehen fuettert und dabei mit ihnen ratscht; Christiane, die u.a. in Afghanistan und Uganda Briefmarken fuer die Regierung druckt und in Kalkutta gerade ein Buch schreibt; Roberto und Raul, die durch ihre Weltradltour Geld sammeln wollen fuer einen lungenkranken Freund, der eine Transplantation benoetigt; Erika, die eigentlich zur finnischen Armee wollte und jetzt Freiwilligenarbeit im Mutter Theresa Haus macht; die “eingefleischte” Vegetarierin Katharina (beim Biss in ein Chicken Sandwich: “Ich bin eigentlich auch Vegetarierin... aber ich hab jetzt einfach Hunger!”); der Inder Santosh, der soviel weiss, z.B. in welchem Jahr Boris Becker gegen wem im Finale stand; und natuerlich einige Aussteiger wie z.B. Sep, der jeden Tag um 4 Uhr aufsteht, um erst eine Stunde zu meditieren und anschliessend 1 ½ Std. Yoga zu machen (zum Glueck ohne dabei zu singen wie Opa Acha:)...
An einem Tag konnte ich bei einem Ausflug in den Zoo dabei sein, zusammen mit 10 Freiwilligen, einem Kamerateam von Kalkutta TV und 70 tobenden Strassenkindern vom Mutter Theresa Haus (Zoo in Indien: “Gehege” reduziert sich auf rostige Kaefige, Glas und kalte Kacheln und indische Besucher bewerfen schlafende Raubkatzen mit Kichererbsen); einmal waren wir auf einem Puja-Festival zu Ehren Shivas und haben uns vor einem lebendigen Gott auf den Boden geworfen; und am Faschingsdienstag waren wir auf der Faschingsfeier vom Goethe-Institut. Motto: Kalkutta Helau! Zu Bier und Kartoffelsalat wurden deutsche Gassenhauer serviert, vom Ententanz ueber Griechischen Wein bis zu Koenig von Deutschland. Und der indische Waechter hatte seine Muehe, die vielen Kinder fernzuhalten, die neugierig durch das Tor spaehten...
Wenn es irgendetwas nicht gibt in Indien, dann ist das Langeweile. Deshalb sag ich heute nicht nur Adieu, sondern auch Bis bald!
Am Nachmittag radele ich also zum Flughafen raus und hoffe, dass Singapore Airlines von meinem Radl genauso begeistert sind wie ich...
Schoene Gruesse aus Kalkutta,
Barni